Doch abgesehen von den Hinweisen auf die auf 39 Seiten nachzulesenden zahlreichen fachrechtlichen Rahmenbedingungen geht der Beratungserlass bedauerlicherweise so gut wie nicht darüber hinaus. Eine Ausnahme bilden die wenigen das übergeordnete Recht konkretisierenden „kann–soll“-Bestimmungen. Allerdings bleibt es den Adressaten des Entwurfs dabei dennoch möglich abzuweichen (Soll-Vorschrift) oder die ministeriellen Empfehlungen in Gänze zu ignorieren (Kann-Vorschrift). Die Chance einer tatsächlichen Lenkungsfunktion der FF-PV auf geeignete Standorte oder besser hin zu einer effizienten Doppelnutzung knapper Flächen wird mit dieser Neufassung leider nicht genutzt. Das ist um so beklagenswerter, da der Ausbau der FF-PV in Schleswig-Holstein - neben den ostdeutschen Bundesländern und Bayern - mit seiner Flächeninanspruchnahme an der Spitze aller Bundesländer liegt und so sukzessive landwirtschaftliche Fläche aus der Nutzung zur Lebensmittelproduktion fällt: Allein 1100 Hektar (und 30.000 Hektar Ackerland bundesweit) gehen bereits Jahr für Jahr an Siedlung, Gewerbe und Verkehr verloren - der überwiegende Teil davon für neue Wohngebiete, insbesondere für den flächenintensiven Bau von Einfamilienhäusern. Dazu sollen in den nächsten Jahren allein rund 1.700 Hektar neue Gewerbeflächen ausgewiesen werden. Dazu gesellt sich nun auch der Ausbau der FF-PV mit einem aktuell erheblichen Verlust an landwirtschaftlichen Nutzflächen: Mit der Novelle des Baugesetzbuches vom Januar 2023 kommt hinzu, dass Vorhaben für Freiflächen-Photovoltaikanlagen innerhalb eines Bereiches von 200 Metern beiderseits von Autobahnen und mindestens zweigleisigen Hauptschienenwegen als privilegierte Vorhaben gemäß des neuen § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8b genehmigt werden können, wenn keine öffentlichen Belange entgegenstehen. Und so ist der Bestand an Freiflächen-PV-Anlagen allein im Zeitraum November 2021 bis November 2022 um rund vier Prozent auf 1.461 Hektar angestiegen. Im gleichen Zeitraum hat sich die Fläche von neu geplanten Anlagen sogar mehr als verdoppelt, nämlich von 805 Hektar auf 1.846 Hektar. Damit hat sich der Anteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche an der Landesfläche binnen von 20 Jahren von 73 Prozent auf rund 62 Prozent (in 2023) reduziert. Der Blick in Zukunft zeigt, dass laut einer Studie des Thünen-Instituts zwischen 2023 und 2030 bundesweit weitere rund 318.000 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche für andere Nutzungszwecke benötigt werden, wenn aktuelle Planungen umgesetzt werden. Umgerechnet würden dafür demnach pro Tag bundesweit rund 109 Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche verloren gehen. Die Versorgungssicherheit in Deutschland wäre damit zwar noch nicht gefährtdet. Dennoch ist die landwirtschaftlich genutzte Fläche eine kostbare und schützenswerte Ressource und so warnen bereits weite Teile der Wissenschaft vor dieser Entwicklung. Über diesen Erlass bleibt es möglich, den Ausbau von Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen ohne die Zusatzfunktion einer landwirtschaftlichen Nutzung weiter vorantreiben. Damit riskiert das Land weitere erhebliche Verluste an landwirtschaftlicher Produktionsfläche. In der Folge steht die FF-PV sogar zunehmend in der öffentlichen Kritik, so auch bei der Wissenschaft (https://www.thuenen.de/de/newsroom/detail/landwirtschaftliche-boeden-sorgsam-mit-der-wertvollen-ressource-umgehen). Fortschrittlicher als dieser Entwurf erweisen sich bereits einzelne Gemeinden wie Handewitt im Kreis Schleswig-Flensburg. Ende 2023 hat der Gemeinderat den Beschluss gefasst, für Agri-Photovoltaik einen verbindlichen Mindestanteil von 20 Prozent bei der Installtion der FF-PV auf Gemeindegebiet vorzuschreiben. Da stellt sich die Frage, warum das Land einen sparsamen Umgang mit Fläche gegenüber den Medien zwar stets beklatscht (https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Landwirtschaft-unter-Solarparks-Handewitt-fuehrt-20-Prozent-Quote-ein,agripv110.html), sich aber mit seinem eigenen Entwurf für einen PV-Beratungserlass nicht an die Speerspitze neuer Entwicklungen stellt und selbst die Vorreiterfunktion für einen verpflichtenden Vorrang zur Doppelnutzung von Agrarflächen einnimmt. Unzweifelhaft geriete die notwendige Energiewende ohne einen weiteren zügigen FF-PV-Ausbau ins stocken, was gesamtgesellschaftlich nicht gewünscht ist. Doch angesichts gut funktionierender technischer Optionen zur Doppelnutzung von Agrarflächen (horizontale oder vertikale Aufständerungen) zur simultanen Anbau von Lebensmitteln und Energieerzeugung steht allerdings in Frage, warum man den Ausbau der FF-PV nicht geschickt mit einem neuen Erass in diese Richtung lenkt. Wie auch Vertreter der Wissenschaft plädieren die NaturFreunde S-H beim Ausbau der FF-PV für eine Doppelnutzung der Fläche und die dafür notwendigen Rechtsvorschriften, ggf. unterstützt durch eine Innovationsförderung. Die fortgesetzte Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Produktionsfläche für FF-PV trotz Vorhandensein von zukunftsfähigeren Alternativen widerläuft zudem den Zielen der bundesweiten Nachhaltigkeitsstrategie zur Begrenzung der Flächenneuinanspruchnahme. FF-PV ohne Doppenutzung bewerten die NaturFreunde S-H als nicht raumvertäglich, da sie langfristig betrachtet negative Auswirkungen auf die Lebensmittelversorgung hat, also Auswirkungen generiert, die über die Standortgemeinde hinausreichen und somit für die Entwicklung eines größeren Raumes von Bedeutung sind. Damit eine Flächennutzung mit FF-PV nachhaltiger wird, müssen die unterschiedlichen Nutzungsansprüche in Schleswig-Holstein stärker in Einklang gebracht werden. Synergien und Mehrfachnutzungen müssen jetzt angegangen werden, beispielsweise durch einen verstärkten Ausbau von Photovoltaik auf Siedlungs- und Verkehrsflächen, wiedervernässten Mooren (Moor-PV) und in Kombination mit landwirtschaftlicher Nutzung (Agri-PV). Dahingehend fehlen entsprechende verbindliche Reglungen im Erlass.